Großes Treffen zu Nachhaltigkeit und Kultur
Von Bettina Milz
Inhaltliche Koordinatorin in der Vorlaufphase des Pina Bausch Zentrums
„Zukunftslabor Kunst & Stadt“ und Pina Bausch Zentrum hatten gemeinsam zur „Versuchsanordnung II“ am 19. September 2022 in das ehemalige Schauspielhaus und zukünftige Pina Bausch Zentrum eingeladen. Zahlreiche Vertreter*innen der Stadtgesellschaft aus den Bereichen Kunst und Kultur waren anwesend.
Im Mai 2022 hatte es im Rahmen von „Pina Bausch Zentrum under construction #2“ zum Thema Klimaschutz und Klimaveränderung in Kunst und Kultur an zwei Tagen ein Klimafrühstück mit vielen Gäst*innen gegeben, koordiniert und moderiert von Dr. Uta Atzpodien (freie Kuratorin) und Sina Bublies (Fridays for Future). Ermutigt durch das „Wo, wenn nicht hier?“ von unserem Gast Sebastian Brünger (Kulturstiftung des Bundes) fand nun eine Fortsetzung statt mit dem Ziel eines kommunalen Aktionsnetzwerks Nachhaltigkeit.
Der Abend im Schauspielhaus war als Denk- und Laborraum, Vernetzungs- und Austauschtreffen angelegt. Ziel war es, voneinander zu lernen und gemeinsam mehr Wirkung zu erzielen. Bereits etablierte Nachhaltigkeitsstrukturen und -strategien können in anderen Institutionen implementiert werden. Wie sind unsere Perspektiven als gemeinwohlorientierte Einrichtungen und Akteur*innen auf die Themen Ökonomie, Ökologie und Soziales und die Agenda 2030 mit den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) der Vereinten Nationen? Und wie verbinden sich Perspektiven mit Gesetzen oder Strategien von Kommunen, Land, Bund und Europäischer Union? Bettina Milz wies darauf hin, dass Nordrhein-Westfalen eine bundesweite Vorreiterrolle hat, unter anderem da es bereits 2013 ein Klimaschutzgesetz gab (Novelle 2021), ebenfalls eine Nachhaltigkeitsstrategie der Landesregierung sowie des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft. Wuppertal hat ein vom Rat beschlossenes Klimakonzept und arbeitet an einer kommunalen Nachhaltigkeitsstrategie. Mit dem international etablierten Partner „Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie“ kann die Expertise aus 30 Jahren in den Prozess Nachhaltigkeit und Kultur eingebracht werden.
Nach einer kurzen Vorstellungsrunde und Begrüßung durch Bettina Milz stellten Dr. Uta Atzpodien und Matthias Wanner (Wuppertal Institut) das „Zukunftslabor Kunst & Stadt – Versuchsanordnung I“ vor, eine Kooperation von „)) freies netz werk )) KULTUR“ und „Wuppertal Institut“ sowie dem Kommunikationsdesigner und Illustrator Jens Oliver Robbers. Der Stadtplan des „Zukunftslabor Kunst & Stadt“ entstand im Jahr 2020 und führt verschiedene Kunstorte und damit auch Sparten wie gesellschaftliche Sektoren zusammen, von der „Utopiastadt„“ über das „Café Ada/Insel e. V.“, die „Junior Uni“, das Café Swane, das Kommunikationszentrum „Färberei“, das Begegnungszentrum „Alte Feuerwache“, den „KulturKinderGarten“, das soziokulturelle Zentrum „börse“, die „Kunststation Vohwinkel“, das soziokulturelle Zentrum „LOCH“, das Kunstprojekt „Mobile Oase Oberbarmen“ bis zur Oper und dem „BOB Campus“. Als eine Art Kompass möchte das Zukunftslabor die Transformationspotenziale in der Stadt Wuppertal greifbar machen, die sich seit einigen Jahren über Orte, Akteur*innen und Veranstaltungen manifestieren. Insbesondere hebt es Best-practice-Beispiele kultureller Einrichtungen in Wuppertal hervor, die einen erweiterten Nachhaltigkeitsbegriff erfüllen, einen sogenannten Dreiklang: Diese Orte leisten einen Beitrag zur Stadtentwicklung, sind prägender Bestandteil der lokalen und überregionalen Kunst- und Kulturszene und engagieren sich zudem für Nachhaltigkeit. Zugleich wurden 2020, abgeleitet von gesellschaftlichen „Megatrends“ wie Digitalisierung, Gesundheit oder Ökologie, fiktive Szenarien für den Zeitraum 2025 bis 2030 spielerisch entworfen und flossen in die Diskussion zur Zukunftsgestaltung der vorgestellten Orte ein. Gerade im Bereich der Energieverteuerung und des Klimawandels sind die Szenarien bereits erstaunlich nah an unsere Wirklichkeit gerückt.
Es folgte ein Beitrag der Schauspieler*innen Veronika Nickl und Michael Lippold, die als Mitinitiator*innen der „Klima AG am Schauspielhaus Bochum“ mit der Stadt Bochum, dem Kunstmuseum und den Bochumer Symphonikern über die dortigen Erfahrungen und Chancen einer kommunalen Vernetzung berichteten. Seit 2019 veranstalten sie das Forum „Wie wollen wir hier leben?“. Diskutiert wurde, wie die Stadtgesellschaft konkret Dinge anders machen kann. Wie können Kulturinstitutionen einen Diskursraum zum Thema Klima anbieten und zugleich selbst nachhaltiger werden? Welche Ressourcen braucht die Arbeit und wie bewegt man diejenigen, die wirklich etwas entscheiden können? Wie könnte eine Kooperation Wuppertal – Bochum oder NRW aussehen?
In der sich anschließenden Gesprächsrunde und dem Brainstorming für die „Versuchsanordnung II“ wurde unter anderem diskutiert, welch großes Transformationspotenzial die Stadt Wuppertal hat. Es ging um die Verantwortung der großen Kulturinstitutionen und die Frage, wie freie Akteur*innen und kommunale Einrichtungen zusammenarbeiten können und in welchem Format künftige Vernetzungs- und Arbeitstreffen mit „Schwarmintellligenz“ stattfinden können. Es wurde angeregt, bei weiteren Treffen der Jugend mehr Raum zu öffnen, um mitzudiskutieren. Das brachten Björn Krüger, Musiker und künstlerischer Leiter des „KulturKinderGartens“ der Alten Feuerwache, und Julian Spielhauer von der „börse“ ein – mit großem Konsens. Ein sehr wichtiger Hinweis kam von Milton Camilo (Tänzer und Tanzpädagoge), der auf die unbedingt notwendige Kontinuität und Sicherheit in der Zusammenarbeit mit Kindern und Jugendlichen über einen langfristigen Zeitraum hinwies – keine Eintagsfliegen mehr! Zugangshürden für eine breite Stadtgesellschaft müssten abgebaut werden. Christopher Huber, neuer Leiter des Wuppertaler Kulturzentrums Immanuel, wies darauf hin, dass Kooperation nicht dasselbe wie Kooperative sei, man könnte über neue Formen des Zusammenschlusses nachdenken. Alle gemeinsam sehen die Aufgabe der strukturellen Einbindung ganz unterschiedlicher Initiativen und Menschen auf Einladung der Kunst- und Kulturinstitutionen sowie nach einer Struktur des Zusammenkommens, die Kontinuität schafft. Zudem müsse Nachhaltigkeit etwas Konkretes sein.
Kerstin Hamburg von „Tanzrauschen“ wies darauf hin, dass der Begriff „Ort“ im Kontext der Nachhaltigkeit weitergedacht werden und auch virtuelle Orte oder Initiativen ohne Ortsverankerung mitgedacht werden müssten. Björn Krüger brachte ein, dass das Thema der Repräsentation das Problem sprachlicher Hürden beinhaltet. Kulturorte dürften nicht als „hohe Rösser“ wahrgenommen werden, sondern können durch Kooperationen zugänglich gemacht werden. Kim Münster, Filmregisseurin (unter anderem „Medienwerk“), bringt den sozialen Aspekt der Nachhaltigkeit im digitalen Raum ein. Plattformen sollen geteilt und Verantwortung abgegeben werden. Die Stadtbücherei, vertreten durch ihre Leiterin Cordula Gladrow, und die Wuppertaler Bühnen, beteiligt durch den Opernintendanten Berthold Schneider und den Nachhaltigkeitsbeauftragten Holger Springorum, bestärkten den Wert eines kommunalen Netzwerks.
Die Diskussion wurde von allen als offene und ehrliche Denkwerkstadt sehr positiv bewertet. Auf dieses erste Treffen werden weitere mit dem Ziel konkreter Strukturen folgen.
„Wann, wenn nicht jetzt – Wo, wenn nicht hier – Wie, wenn ohne Liebe – Wer, wenn nicht wir“, um es mit Rio Reiser zu sagen!